Na gut, so schlecht sind blogs gar nicht…
19. Januar 2006, 02:32 Uhr von pantoffelpunkIn meinem ersten Beitrag, den ich entgegen der Datumsangabe irgendwann im September wohl schrieb (oder so), habe ich mich noch sehr weit aus dem Fenster gelehnt und blogs generell als eher uninteressant gedisst.
Seit ich mich eingehender damit befasse und mich vor allem in der Nachbarschaft umschaue, muss ich feststellen, dass es eine ganze Anzahl wirklich sehr guter, netter, entspannender, lustiger, informativer blogs gibt. Einige wenige habe ich in der Navigation gelistet … aber da gibt es noch so viel mehr, auch wenn man vielleicht nicht immer alles versteht.
Was aber macht wohl den Charme dieser digitalen Tagebücher aus? Als erstes muss man blogs wirklich ma unter dem Aspekt sehen, dass all die furchteinflößenden javascript und -Applet überfüllten Mega-Colorshock-Ich-habe-ein-HTML-Buch-gelesen-und-muss-jetzt-mit-möglichst-viel-Brimborium-in-die-Welt-hinaustragen-worauf-es-beim-Taubenzüchten-ankommt-Hobby-Homepages in Zeiten des sogenannten “Web 2.0” tatsächlich langsam aber sicher von der Bildfläche verschwinden – dank opensource-blog-Software oder voreingestellten ISP-Blogs. Cool – natürlich findet man immer noch gähnend langweilige Themen, aber die Augen tun nicht mehr so weh.
Als zweites empfinde ich den Umgangston in den blogs sehr angenehm – anders als in einigen mir bekannten Foren, wird hier nie oder höchst selten gemosert oder gar beleidigt, was nicht interessiert, wird weggeklickert, getreu dem Motto “bloggen und bloggen lassen” – ungewohnt, aber angenehm. Ich habe sogar den Anschein, dass das “Sie” vorherrschend ist, habe das aber noch nicht zur Gänze eroieren können, schildern Sie mir gern Ihre Eindrücke.
Drittens: Die blogszene lebt. Manche Informationen sind über blogs schneller verbreitet, als über Spiegel-Online oder die tagesschau – man denke nur an das Foto vom Ludwigshafener Nazi-Aufmarsch mit der Banderole “Denn Du bist Deutschland“. Oder, ganz großes Kino, die Enttarnung zweier BND-Agenten. Aber Psssst. Nicht weitersagen.
Und viertens finde ich in den blogs, die ich gern lese einen sehr angenehmen Gegenpol zu den Schönen und Reichen und Erfolgreichen und Gelackten und Geföhnten, die uns im Fernseh vorgegaukelt werden. Alle sind höher, schneller, weiter oder auch kaputter, kranker, dümmer, alles ist mega-superlativ und zwar heute als nicht mehr toppbar gepriesen doch morgen schon wieder langweilig, weil getoppt… In blogs findet man bisweilen eine ruhige, herrlich erfrischend normale Welt wieder: Was ich aus Berlin lese, ist gestern vielleicht auch in meiner Küche passiert – nur kann ich es nicht so schön beschreiben oder entwickle nicht eine so herrlich weltumspannende Philosophie daraus, wie mein Toast angebrannt ist. Schön.
Sicher wird auch der voyeur mir befriedigt, wo sonst kann man so unbehelligt zum Teil bis ins Schlafzimmer anderer Leute gucken?
Tja. Und ich habe jetzt auch ein blog. Das einzige, das mir jetzt noch fehlt, sind Leser. Aber zur Not komme ich auch ohne die aus. Habe schon ganz andere Sachen gemeistert.
Zum Beispiel in der Kieler Unipsychiatrie für Kinder und Jugendliche unter einem griechischen Wurzelzwerg (140 cm), einem narzisstischen Choleriker mit Minderwertigkeitskomplexen (140 cm) gearbeitet, aber dazu vielleicht andern Tach mehr.