Es gibt eine Handvoll geflügelter Zitate, wie das von Götz von Berlichingen oder das von Dieter Nuhr, auf das ich jetzt anspielen möchte. Damit aber auch der Herr Professor Nagel weiß, warum ich ihm das empfehle, muss ich etwas ausholen:
Herr Professor Nagel, Sie sind studierter Mediziner und Philosoph. Als Mediziner sind Sie an der Bayreuther Universität beschäftigt, als Philosoph und Mediziner in Personalunion hat man Sie 2001 in den Nationalen Ethikrat berufen, wo Sie unter anderem über die Sterbehilfe debattieren und diesbezüglich den Gesetzgeber beraten dürfen. Das ist sicher eine feine Sache. In dieser Funktion werden Sie auch von Medienvertretern befragt und dürfen ganz viele Sachen in deren Mikrofone reinsagen. Da kann man dann zum Beispiel auch mal deutlich machen, was man von Demokratie hält, bzw. wie man sie umgehen kann. Das geht nämlich ganz einfach:
Nagel: Wir haben uns im Nationalen Ethikrat sehr intensiv mit den von Ihnen angesprochenen Umfragen auseinandergesetzt. Dabei zeigt sich sehr deutlich, dass die Umfragen nicht das differenziert wiedergeben, was die Bevölkerung denkt. Ganz wichtig ist immer, wie gefragt wird. Dass die Menschen Angst vor dem Sterben haben, ist klar. Dass man ihnen suggeriert, mit aktiver Sterbehilfe diese Angst nehmen zu können, ist aus der Sicht des Mediziners der völlig falsche Weg.
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… die Menschen sind zu doof und die Meinungsforschungsinstitute stellen falsche Fragen. Da können wir aber froh und dankbar sein, dass uns jemand das Denken abnimmt. Und dann noch jemand, der so klug ist wie Sie. Aber nicht nur das ethische Empfinden der Menschen wissen Sie besser einzuschätzen als die Menschen selbst, nein, auch was die Würde des Menschen beinhaltet, schreiben Sie ihnen sicherheitshalber vor, denn die wenigsten haben darüber so viele Bücher gelesen wie Sie:
Nagel: Für mich persönlich ist die aktive Sterbehilfe mit Artikel 1 Grundgesetz nicht vereinbar.
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Ganz Möchtegern-Intellektuelle glauben nämlich diesbezüglich ganz besonders schlau zu argumentieren und wollen in der Würde des Einzelnen vor allem das Recht auf Selbstbestimmung sehen. Aber – siehe oben – niemand kann sehenden Auges wollen, dass dumme Menschen für sich selbst die Inhalte ihrer Würde bestimmen, wenn es doch schlaue Menschen gibt, die das stellvertretend viel besser erledigen können. Zum Beispiel Sie:
Das Selbstbestimmungsrecht schließe auch die Entscheidung über den eigenen Tod ein, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Ethikrats, Eckhard Nagel. Somit habe der Patientenwille “Vorrang vor dem Wohlwollen der Behandelnden”. Grenzen der Selbstbestimmung seien allerdings gesetzt, wenn der Wunsch zu aktiver Sterbehilfe vorliege, betonte der Medizinprofessor der Universität Bayreuth.
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Aber, Herr Professor – und ich erlaube mir an dieser Stelle mal etwas salopp zu formulieren -: Wenn ich zwar selbst bestimmen darf, wann ich pissen gehe, ich aber nicht selbst bestimmen darf, wann ich sterben darf – ist dieses in elementaren Bereichen eingeschränkte Recht auf Selbstbestimmung dann noch ein wirkliches Recht auf Selbstbestimmung?
Um zum Zitat des ehemals sehr geschätzten Dieter Nuhr zurück zu kommen: Ich will Ihnen gar nicht absprechen, sich über dieses Thema in vielen schlaflosen Nächten Gedanken gemacht zu haben – die Lesebrille gedankenschwer von der Nase nehmend und die Stirn in tiefe Sorgenfalten gelegt, haben Sie sicher unter der Last der Verantwortung für all die Menschen Ihr intellektuelles Kreuz getragen und hunderte Schriften vor- und zurückreflektiert. Aber ich habe bisher einen weiteren entscheidenden Punkt außer Acht gelassen: Sie sind ja zusätzlich als aktiver und überzeugter Christ Präsident des evangelischen Kirchentages.
Und wenn überzeugte, kirchlich organisierte Christen über Würde, Freiheit und Selbstbestimmung reden, dann fällt mir – so leid es mir tut – ganz unwillkürlich immer nur eines ein: “Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal Fresse halten.”