Ja, nee, is Klar…

27. Februar 2007, 22:30 Uhr von pantoffelpunk

Huaaah, gähn, gähn, gähn. In allen Online-Medien und deren feeds war gestern die große Schlagzeile zu lesen: “Christian Klar ruft zum Kampf auf!”.
Ich dachte schon: Hui! Da ist ja jemand fast so hartnäckig wie fastix (gnihihihi) und scheißt auf seine Freilassung… Respekt. Der Mann nimmt weitere unzählige graue Jahre im Knast für einen kleinen revolutionären Auftritt in Kauf. Das muss man erst mal bringen.

Als ich seinen Text dann gelesen habe, war ich fast etwas enttäuscht:

Liebe Freunde, das Thema der diesjährigen Rosa-Luxemburg-Konferenz “Das geht anders” bedeutet – so verstehe ich es – vor allem die Würdigung der Inspiration, die seit einiger Zeit von verschiedenen Ländern Lateinamerikas ausgeht. Dort wird nach zwei Jahrzehnten sozial vernichtender Rezepte der internationalen Besitzerklasse endlich den Rechten der Massen wieder Geltung gegeben und darüber hinaus an einer Perspektive gearbeitet.

Aber wie sieht das in Europa aus? Von hier aus rollt weiter dieses imperiale Bündnis, das sich ermächtigt, jedes Land der Erde, das sich seiner Zurichtung für die aktuelle Neuverteilung der Profite widersetzt, aus dem Himmel herab zu züchtigen und seine ganze gesellschaftliche Daseinsform in einen Trümmerhaufen zu verwandeln. Die propagandistische Vorarbeit leisten dabei Regierungen und große professionelle PR-Agenturen, die Ideologien verbreiten, mit denen alles verherrlicht wird, was den Menschen darauf reduziert, benutzt zu werden.

Trotzdem gilt hier ebenso: “Das geht anders”. Wo sollte sonst die Kraft zu kämpfen herkommen? Die spezielle Sache dürfte sein, dass die in Europa ökonomisch gerade abstürzenden großen Gesellschaftsbereiche den chauvinistischen “Rettern” entrissen werden. Sonst wird es nicht möglich sein, die Niederlage der Pläne des Kapitals zu vollenden und die Tür für eine andere Zukunft aufzumachen.

Es muss immer wieder betont werden: Schließlich ist die Welt geschichtlich reif dafür, dass die zukünftigen Neugeborenen in ein Leben treten können, das die volle Förderung aller ihrer menschlichen Potentiale bereithalten kann und die Gespenster der Entfremdung von des Menschen gesellschaftlicher Bestimmung vertrieben sind.

Ich lese hier kein Wort von bewaffnetem Kampf. Das ist doch ein vollkommen gemäßigter Text von einem, der auszog, die Welt zu verbessern, so was sage ich -zumindest sinngemäß – jeden Tag. Und er hat doch mit jedem Wort Recht – man mag ja den Kapitalismus aus einer gweissen Bequemlichkeit heraus mögen, wenn man auf der richtigen Seite der Kugel geboren wurde, aber da wo er auftaucht, werden – niemand will es wirklich bestreiten – Menschen ausgebeutet und die Natur zerstört. Und das ist doch wirklich Scheiße, mal so unter uns gesprochen.

Was aber, liebe Herren und Damen von der Presse, erwartet Ihr von einem wie Christian Klar? Dass er nach über 20 Jahren Zuchthaus als Turbokapitalist entlassen wird und Hanns Martin Schleyers Erbe antritt? Dass er aus dem Knast zum Kauf von VW-Aktien rät? Dass er die Linke beruhigt, weil Schäuble doch nur unser bestes will?

Aber auch die Damen und Herren aus der Politik melden sich natürlich eifrig zu Wort, dass man jetzt seine Freilassung überdenken müsse und all der ganze Tofu – was man halt von denen erwartet. Sie sind ja so fürchterlich durchschaubar und einfach gestrickt.

Aber zur Erinnerung seien dieser Spezies hier zwei Dinge kurz und ein für allemal ins Stammbuch geschrieben:
Herr Klar hat nichts weiter getan als seine Meinung zu äußern, was in der BRD (auf dem Papier, also jetzt mal rein theoretisch) erlaubt ist, von wegen Meinungsfreiheit und so. Ihr wisst schon, ja … genau das Dingens da.
Manch ein vorlauter Bub (oder Mädel) mag jetzt laut dazwischen rufen, dass Herr Klar aber ja genau wegen dieser antikapitalistischen Einstellung inhaftiert sei, aber das ist eine nicht zulässige Verdrehung der Tatsachen, denn wer sich genau erinnern mag, der weiß auch, wie sehr die Angeklagten der RAF darum kämften, dass ihre Taten im politischen Kontext wahrgenommen und vor Gericht verhandelt werden, worauf sich der Staat jedoch nicht einließ und so saß Herr Klar seine Strafe für ganz vulgären Mord ab. Sein Beitrag zur Rosa-Luxemburg-Gedenk-Rheumadecken-Veranstaltung hat aus dieser Perspektive nichts mit seinen Taten, nichts mit seiner Inhaftierung und ergo auch überhaupt nichts mit seiner Begnadigung zu tun.

Aus seinen Grußworten höre ich auch nichts verfassungsfeindliches, was eine weitere Inhaftierung rechtfertigen könnte. Instrumentalisieren kann man die ganze Entlassungs- und Begnadigungs-Debatte natürlich trotzdem: eignet sie sich doch hervorragend, mal wieder in Erinnerung zu rufen: Der Feind steht links.

A pro pos Verfassungsfeinde: Hat Herr Schily eigentlich schon öffentlich Reue gezeigt? Sonst können wir ihn nicht begnadigen.

Frau Mohnhaupt wünsche ich übrigens alles erdenklich Gute, vor allem, dass sie in der medialen Schlammschlacht um die Deutungshoheit ihrer Biographie nicht ihr Gesicht verlieren möge.

flattr this!

14 ma was gesacht

  1. Die wenigsten werden den Klar-Text gelesen haben, schätze ich, aber dafür die Schlagzeile der Medien. Und wahrscheinlich haben (fast) alle Journaillen vom Ersten abgeschrieben, ohne weiter zu recherchieren bzw. die Aussage “ruft zum Kampf auf” zu hinterfragen. Andernfalls wäre der Text nun wirklich keine Meldung wert.
    Interessant in diesen Zusammenhängen auch, daß es vor rund 25 Jahren (?) noch hieß, die RAF-Leute würden als “ganz normale Verbrecher” verurteilt und jetzt plötzlich die 180°-Wende. Ach, es ist ein Graus mit den Herrschenden – regieren will ich das nicht mehr nennen. Ich hab schon überlegt, wie man die (eine Regierung) eigentlich wieder los wird? Auf legalem Weg (Widerstandsrecht) sehe ich da keine Chance. Ergo? Tja, Antwort darauf habe ich nicht.

    Reply to this comment
  2. mir ging’s wie dir: ich hatte einen text zumindest so verquast wie die raf-pamphlete früherer zeiten in konsequenter kleinschreibung erwartet. nix. stattdessen poesiealbum à l’attac. ich interpretiere den text trotzdem so wie du vermutest: der klar denkt sich: reue? scheiß’ ich drauf. die zwei jahre bis zur bewährungsfrist sitz’ ich jetzt auch noch ab.

    Reply to this comment
  3. [...] “meine Meinung zu bilden” begab ich mich auf die Suche im Netz und wurde beim Pantoffelpunk fündig, über den ich auf den kompletten Text gestoßen bin. Für Jeden, der wissen möchte was [...]

    Reply to this comment
  4. Im Text von Klar kann ich nichts entdecken, dem ich nicht am Ende zustimmen könnte. Im Moment läuft´s in der Welt beschissen und Europa spielt eine wenig glanzvolle Rolle dabei. Alles wahr!

    Deswegen dürfen wir aber trotzdem das Morden nicht legalisieren. Wir dürfen dem Klar aber auch nicht sein Recht auf freie Meinungsäußerung entziehen.

    Reply to this comment
  5. Hallo, das sehe ich genauso. Ich habe hier noch einen interessanten Beitrag über die Sendung in der ARD und die Reaktion der Medien gefunden: http://redblog.twoday.net/stories/3368627/
    Und der Spezialist für Rechte (Gesetze) und Rechte (politisch gesehen) musste sich natürlich auch gleich aufblasen. Einfach nur erbärmlich diese ganze Hetze.

    Reply to this comment
    gesacht am 28. 02. 2007 um 11:31 Uhr
    von Micha
  6. [...] Christian Klar wirklich gesagt hat, ist beim Pantoffelpunk zu lesen, der in diesem Artikel auch damit zum Ausdruck bringt, was er von den meinungsbildenden und geifernden Politikern [...]

    Reply to this comment
  7. [...] vollständige Botschaft von Hern Klar habe ich bei Pantoffelpunk und bei SpOn (die als Quelle “Junge Welt” vom 15. Januar 2007 angeben) gefunden, wobei [...]

    Reply to this comment
  8. Megalangweilig, ich dachte auch weiss Gott was der Klar losgehauen hätte und dann nix was man nicht so oder ähnlich in Deinem Blog oder bei den anderen üblichen Verdächtigen gelesen hätte.

    Tja, Punk dann zahl ab jetzt besser alle Knöllchen, wenn Du mal 3 Tage Beugehaft bekommst kommste niemals mehr auf freien Fuss wenn die erst Dein Blog lesen ;-)

    Reply to this comment
  9. Scheiße, da sagst Du was, baseface, ich glaub, ich hab noch eins offen. Habt Ihr es eigentlich bemerkt, dass Dieter, ja genau der Dieter hier mit Christian Klar konform geht? Ach, das ich das noch erleben darf….

    Reply to this comment
  10. Ware Worte, aber auch eine klare win-win-Situation für Klar. Er kann hierbei nur gewinnen: Wird er begnadigt, ist er frei. Wird er nicht begnadigt, sitzt er endlich als politischer Gefangener, und nicht mehr als Mörder. Genau dass, was er immer wollte.

    Was ich als treuer Mainstreammedienkonsument jetzt aber noch nicht ganz verstehe: Bin ich durch meine kapitalismuskritische Haltung automatisch Terrorrist? Und muss ich, wenn ich z.B. beim Schwarzfahren erwischt werden, einen Kapitalismuskritikeraufschlag bezahlen?

    Reply to this comment
  11. Hey, Markus ist zurück! Wie baseface schon erwähnte, wirst Du das Gefängnis nie wieder verlassen, wenn Du Dich greifen lässt beim Schwarzfahren.

    Reply to this comment
  12. “Bin ich durch meine kapitalismuskritische Haltung automatisch Terrorrist?”
    Bei redblog hab ich die Aufzeichnung einer Fernsehsendung gesehen (grusel grusel) … jedenfalls war mir bis dato nicht bewusst “ultra-linke” Positionen zu denken und unterstützen zu können. (Glotze erweitert also doch das Bewusstsein, staun) Aber eigentlich nicht erstaunlich, wo ja inzwischen Bündnis 90/ Die Grünen als “links” gelten. Überhaupt scheint eine Botschaft der Sendung zu sein: Der Feind steht links.

    Reply to this comment
  13. @sv: Hàbe nachgeschaut. Links neben mir steht keiner. Habe ich jetzt keine Feinde?

    Reply to this comment
  14. Klar: “Ich bin nicht bereit, die RAF als Kriminalfall zu besprechen”…

    Vor einer Woche wurde bekannt, dass die Bundesanwaltschaft Beugehaft für vier ehemalige RAF-Mitglieder beantragt hat, um den Hergang des Mordes an Siegfried Buback 1977 zu klären.

    Einer der vier ist Christian Klar, für den nach 25 Jahren Haft im …

    Reply to this comment

Sach ma was...

WICHTIG: Sollte der oben eingetragene Link auf eine rein gewerbliche Seite führen, behalte ich es mir vor, für die hier platzierte Werbung Gebühren einzufordern. Der Rechnungsbetrag errechnet sich wie folgt: 150,- € x pagerank der beworbenen Seite. Er wird jedoch mindestens 300,- € betragen. Mit Klicken des Absenden-Buttons erkennen Sie diese Regelung an und verpflichten sich, die Rechnung innerhalb von 7 Tagen nach Erhalt ohne Abzug zu begleichen.



Datum: Dienstag, 27. Februar 2007 um 22:30
Kategorie: Brechmittel
Kommentarfeed: RSS 2.0
TrackBackLink