“Die Weisheit der Vielen”

4. Dezember 2009, 13:21 Uhr von pantoffelpunk

Es ist zweifelhaft, dass die auf Dauer zu einer besseren Gesellschaft führt, denn der Erfolg der “Weisheit der Vielen” setzt voraus, dass viele weise sind. Und wenn man bedenkt, dass CDU und FDP in diesem Land immer wieder Mehrheiten erringen und BILD die auflagenstärkste ‘Zeitung’ ist, habe ich sogar ein bisschen Angst vor zu viel direkter Demokratie…

Die Weisheit der Vielen

… vor allem, wenn Sie unreflektiert und bedenkenlos einseitig als Allheilmittel präsentiert wird. Des weiteren ist Liquid Democracy das mit Sicherheit bessere Modell der gestärkten Einflussnahme der Bürger.

Ich habe bewusst darauf verzichtet, eine gedachte Volksabstimmung zum Umgang mit pädosexuellen Straftätern zum Thema dieser Montage zu machen.

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15 ma was gesacht

  1. “Der Erfolg der “Weisheit der Vielen” setzt voraus, dass viele weise sind.”

    Das ist so ziemlich die gegenteilige Aussage von dem, was das Konzept der Weisheit der Vielen besagt. Das besagt nämlich: “Wenn du Viele Menschen eine Entscheidung treffen lässt, und dann ‘das arithmetische Mittel’ nimmst, dann ist die Entscheidung häufig (!) besser, als wenn du einen Experten diese Entscheidung überlässt”. Sprich es geht gerade darum, dass die Vielen _nicht_ weise sind, aber überraschenderweise trotzdem eine gute Entscheidung treffen – wie gesagt _häufig_, nicht immer (ich lehne die Schweizer Entscheidung auch als unmoralisch ab).

    Liquid Democrazy ist ein schönes Konzept – ich unterstütze das auch. Man darf aber nicht vergessen, dass es eben nicht “die Vorteile aus beiden Systemen übernimmt und keine der Nachteile” – es übernimmt auch die Nachteile aus beiden Systemen. Denn in der Praxis wird eben auch die von dir erwähnte Mehrheit (von BILD-Lesern) ihr Stimmrecht einfach einer Partei übertragen. Du kannst also eben nicht einzelne Entscheidungen der PArteien gezielt aushebeln – einfach weil die Mehrheit der Menschen diese Frage dann vielleicht gar nicht wirklich interessiert.

    Das macht sich theoretisch der Volksentscheid zu Nutze: Dass nur die politisch interessierten und damit halbwegs informierten überhaupt teilnehmen würden. Nur ist da auch die Frage der demokratischen Legitimation irgendwie mit einzubeziehen (wobei ich nicht sagen will, dass das an dieser Frage scheitern muss).

    Insgesamt – will ich sagen – ist die Frage aber nicht so clear-cut wie Idioten wie König auf der einen Seite (“wurde demokratisch entschieden => ist gut”) und Volksentscheids-Gegner auf der anderen Seite (“die Mehrheit ist zu dumm, sich gut zu entscheiden”) das darstellen. Was man am Ende umsetzen will, ist eine reine Frage, wie viel Demokratie man wagen will.

    Übrigens sollte man nicht “Direkte Demokratie Liquid Democracy” unterscheiden, sondern “Direkte Demokratie repräsentative Demokratie” (und selbst die Unterscheidung ist problematisch). Liquid Democracy ist schon ein Modell, was die Demokratie direkter machen soll.

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  2. Sehr komplexes Thema. Es scheint wohl soetwas wie eine “Weisheit der Vielen” zu geben (Literaturempfehlung: Surowiecki, James; Beckmann, Gerhard: “Die Weisheit der Vielen: Warum Gruppen klüger sind als Einzelne”); dennoch habe auch ich Vorbehalte gegen Basisdemokratie und Volksentscheide. In sich eigentlich vorteilhafte Systeme können nämlich in der Tat sehr groteske Auswüchse annehmen. Leider.

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  3. Ich sag Dir zur Frage der Volksabstimmungen auch in Deutschland, was ich auch bereits woanders dazu kommentierte:

    Ja, ich will direkte Demokratie. Ich will Volksabstimmungen (z.B. über Kriegsbeteiligungen Deutschlands). Aber diese Anti-Minarett-Initiative in der Schweiz hat mir sehr deutlich gemacht, dass nicht alles in Frage und zur Wahl stehen darf – z.B. keinesfalls unsere Grundrechte. Denn sie sind unser gesamtgesellschaftliches Wertesystem, das Fundament unseres Rechtsstaates und sie schützen die Minderheiten vor der Willkür der Mehrheit. Eine bedingungslose Diktatur der Mehrheit wäre eine uneinschränkte Herrschaft der Starken über die Schwachen.

    Auch diese Frage nach vernünftigen und gerechten gesamtgesellschaftlichen Lösungen lässt sich nicht so einfach mit Ja oder Nein beantworten. Die Anti-Minarett-Initiative hat zwar m.E. sehr deutlich gemacht, dass bedingungslose direkte Demokratie zu tragischen und gefährlichen Irrtümern führen kann. Aber mal ehrlich: Trifft das nicht auf unsere repräsentative Demokratie genauso zu? Auch ohne die Möglichkeit des Volksentscheids können und sollten wir uns unserer grundgesetzlich festgelegten Freiheitsrechte m.E. nicht allzu sicher fühlen.

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  4. @Merovius: Guter Text und danke für die Ergänzung … für die textlich-fundierte Ausarbeitung bin ja immer nicht ich zuständig, da freue ich mich über solche Kommentare :-)
    @aSak: Es geht mir ja auch nicht um eine Verteufelung, es geht mir darum, dass Volksentscheide mit Vorsicht zu genießen sind und vor allem nicht immer zu einer besseren gesellschaft führen.
    @Iris: Bei dem Minarett-Urteil ist ja nun noch der sonderfall, dass es die Grundrechte berührt. An das Grundgesetz möchte ich die Bürger dieses Landes aber wirklich nicht lassen :-)

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  5. @pantoffelpunk: “An das Grundgesetz möchte ich die Bürger dieses Landes aber wirklich nicht lassen”

    Die Politiker aber auch nicht. :-)

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  6. [...] Dieser Eintrag wurde auf Twitter von pantoffelpunk, sa7yr erwähnt. sa7yr sagte: ++ Sehr wahr spricht @pantoffelpunk: Die Weisheit der Vielen + http://u.nu/42d44 #Piraten #Piratenpartei [...]

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  7. @Marc: NEIN! Um Gottes Willen. :-)

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  8. selbstverständlich sollten menschenrechte niemals zur disposition stehen, auch nicht bei volksentscheiden! wenn alle menschen so aufgeklärt, tolerant und informiert wären wie wir es uns wünschen, bräuchte man überhaupt keine demokratie mehr, dann würde auch anarchie sehr gut funktionieren. anstatt einen schwarm von ‘dummen’ über jeweils ein thema mit ja oder nein entscheiden zu lassen würde ich mir eher ein netzwerk von individuen wünschen (möglichst allen) um entscheidungen herbeizuführen. ich bin deswegen sehr gespannt inwieweit liquid democracy funktionieren kann. als konzept hört es sich extrem vielversprechend an.

    arrr! korbinian

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  9. “Ich habe bewusst darauf verzichtet, eine gedachte Volksabstimmung zum Umgang mit pädosexuellen Straftätern zum Thema dieser Montage zu machen.”

    Auch besser so, die “Schwanz-ab-Fraktion” ist ziemlich stark; selbst Leute, die sich selbst als “Mitte” oder sogar “liberal” bezeichnen, haben in dem Bereich oft Ansichten, wie im düstersten Mittelalter.
    Da stimmt ich dir/Ihnen zu.

    Ist aber leider kein deutsches, sondern ein globales Problem.

    Mit diesem Menschenpack ;)

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    gesacht am 04. 12. 2009 um 18:31 Uhr
    von Benjamin
  10. Social comments and analytics for this post…

    This post was mentioned on Twitter by pantoffelpunk: New blog Post: Die Weisheit der Vielen http://blog.pantoffelpunk.de/z.....der-vielen

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  11. Die Dummheit des Einzelnen:
    -> http://www.politblogger.net/wh.....s-to-know/

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    gesacht am 05. 12. 2009 um 10:02 Uhr
    von Loxia
  12. Im Übrigen hast Du den Piraten wieder mal einen echten Bärendienst erwiesen, vielen Dank dafür.

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    gesacht am 05. 12. 2009 um 18:10 Uhr
    von Grete Weis
  13. Wer am Ende weise war, wird man später sehen, vielleicht in 20 Jahren. Man kann den Schweizern Feigheit ( http://tr.im/GKu7 ) oder vielleicht einen gesunden Sinn für Eigennutz vorwerfen. Aber andere Sachen wieder nicht, z.B. sowas: http://tr.im/GKun oder sowas:
    http://tr.im/GKuJ oder auch sowas: http://tr.im/GKuZ oder sowas: http://tr.im/GKwa oder auch sowas: http://tr.im/GKyC oder sowas:http://tr.im/GKyU oder auch sowas: http://tr.im/GKzD . Ich denke, man hat keinen Grund sich wegen irgendwelcher Türmchen die Schweizer in eine faschistische Ecke zu stellen. Da hätten doch andere Vorrang.

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    gesacht am 05. 12. 2009 um 22:53 Uhr
    von seliodka
  14. Diese Abstimmung hat mich zutiefst erschüttert. Ich weiss nicht mehr ob ich diese Demokratie überhaupt will. Die Bauernfänger leisten z.Z. gute arbeit, und sind durch das Minarettverbot total angestachelt noch mehr Scheisse zu bauen.

    Diese Deppen würden am liebsten ne Mauer der CH Grenze entlag ziehen…

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    gesacht am 06. 12. 2009 um 20:42 Uhr
    von Jaswicis
  15. Die “Weisheit der Vielen” ist ja an sich gar nicht das Problem. Ich glaube zwar nicht, dass die Entscheidung von vielen objektiv besser ist, als die von wenigen, aber ich sehe es als sehr weise an, die “Vielen” entscheiden zu lassen. Denn sollte man sich gegen die Entscheidung der “Vielen” richten, dann würden die “Vielen” notfalls zum Mob, der die Entscheidung mit Gewalt herbeiführt (und dagegen hilft irgendwann auch kein staatlicher Apparat).

    Wie dem auch sei, das Problem ist nicht, dass viele entscheiden, sondern mit welcher Frequenz und worüber entschieden wird. Wir können ja das nächste Mal nach einem grausamen Kindsmord darüber abstimmen lassen, ob Kindermörder grundsätzlich der Todesstrafe anheim fallen sollen und ich kann garantieren, dass wir wieder die Todesstrafe damit einführen würden. Auf der anderen Seite kann nach einer erneuten medial inszenierten Todesstrafe etwa im Iran ein Volksentscheid gegen diese Todesstrafe das Gesetz wieder rückgängig machen.

    Ein Rechtsstaat muss bestimmte Rechte und ihre halbwege Kontinuität garantieren und diese gehen weit über das einfache Recht auf Leben hinaus. Wer das in Frage stellt und pauschal mehr Volksentscheide für toll hält, der hat nicht verstanden, was den modernen (deutschen) Staat eigentlich ausmacht.

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Sach ma was...

WICHTIG: Sollte der oben eingetragene Link auf eine rein gewerbliche Seite führen, behalte ich es mir vor, für die hier platzierte Werbung Gebühren einzufordern. Der Rechnungsbetrag errechnet sich wie folgt: 150,- € x pagerank der beworbenen Seite. Er wird jedoch mindestens 300,- € betragen. Mit Klicken des Absenden-Buttons erkennen Sie diese Regelung an und verpflichten sich, die Rechnung innerhalb von 7 Tagen nach Erhalt ohne Abzug zu begleichen.



Datum: Freitag, 4. Dezember 2009 um 13:21
Kategorie: zermatschtes
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