Aufrichtigen Dank, Herr Schäuble, Herr Söder, Herr Stoiber, Herr Müntefering, Frau Zypries, Herr Beck, Frau Merkel und all Ihr anderen! Aufrichtigen Dank.
28. Mai 2007, 22:42 Uhr von pantoffelpunkNichts, nicht einmal Herr Schäubles Überwachungs- und Unrechtsstaat, ist so schlecht, dass sich nicht doch noch etwas gutes daran herleiten ließe.
In meiner politisch hochaktiven Zeit waren noch deutlich die Nachwehen der Hysterie um RAF, Brokdorf und Startbahn West zu spüren. In meiner Welt schien es nur ängstliche und oder oder knüppelgeile Polizisten zu geben. Überhaupt waren die Fronten in der Gesellschaft geklärt: Der Irokesenschnitt, Kleidung mit Löchern und roten Sternen sowie Piercings jenseits der Ohrläppchen waren noch Zeichen der Ablehnung …
… der normalen gesellschaftlichen Konventionen (Fußballstars trugen damals noch Vokuhila), ich glaubte, die deutsche Gesellschaft würde besser werden, wenn die Grünen genügend Stimmen bekämen und insgeheim habe ich sogar gehofft, die SPD würde die Wahl gewinnen, damit Birne nicht Kanzler wird und eine SPD-geführte Regierung zwar ganz und gar nicht gut, aber immerhin besser als eine Kanzlerschaft des dicken Saumagenfestischisten gefunden. Überhaupt schien mir die politische Landschaft noch geprägt von politischen statt von Marketinggrundsätzen. Der DGB drohte im Falle einer deutschen Kriegsbeteiligung mit Generalstreik und für alle, die sich links der CDU befanden, war das offensichtlich eine klare Geschichte, denn die waren auch geschlossen gegen die Verteidigung Deutschlands am Tigris. Im kleinen kalten innerdeutschen Krieg wurde ich ich mehr als einmal einfach so und grundlos an- und für die eine oder andere Stunde aufgehalten, personenkontrolliert und musste zusehen, wie unser Auto auf den Kopf gestellt wird. Das war das Ergebnis der ersten Antiterrorgesetze – bei “Gefahr in Verzug” durfte wegen der bösen RAF die Polizei ohne Durchsuchungsbeschluss und Anfangsverdacht jederzeit solche Kontrollen durchführen. Und Menschen wie ich waren ja ein Gefahr. Die rote Gefahr! Überhaupt, Leute die den Staat kritisierten, wurden seinerzeit allenthalben aufgefordert, doch nach drüben zu gehen, wenn´s ihnen hier nicht gefiele. Erstens, weil es damals noch ein “drüben” gab und zweitens, weil die, die Staat und Regierung kritisierten, natürlich Kommunisten und Sozialisten waren. Der Rest war glücklich und zufrieden mit Brot, Spielen und Kleinwagen. Und dann gab es da natürlich noch die Hausbesetzungen sowie die entsprechenden Räumungen und viele andere Reibungspunkte. Damals.
Nach den Demonstrationen gegen die Pogrome von Rostock, Solingen, Hoyerswerda (Claudia Schiffer: “Was ist das? Eine Farbe?”), Mölln etc. und vor allem in Berlin sowie dem Mord an Wolfgang Grams dem Zwischenfall in Bad Kleinen, bei dem mit Frau Hogefeld eine der wohl letzten aktiven Terroristinnen festgenommen wurde, wurde es etwas ruhiger um die linke Szene (was wahrscheinlich nicht ursächlich daran lag, dass auch ich etwas ruhiger wurde und es Demos gab, an denen ich nicht teilgenommen habe) – zumindest was Aktivitäten angeht, bei denen der Staat sich aus Angst vor feindlicher Übernahme von links in derber Manier zu intervenieren und die Presse in gleichem Maße gegen “links” zu hetzen genötigt sah.
In der Zwischenzeit bin ich wohl auch so was wie erwachsen geworden und meine Lebensumstände haben sich – wie bei einigen Mitstreitern (Venceremos, Genosse!) auch – ziemlich geändert. Manch ein Zeitgenosse macht diesen Zustand des Erwachsenseins gern am Verlust linker, humanistischer oder gerechtigkeitssuchender (call it what you want!) Ideale fest, was vor allem am Beispiel Horst Mahlers sehr lustig anmutet. Diese Ideale habe ich nie verloren, aber ich geriet in die Lage, (begrenztes) Verständnis für gänzlich divergierende Meinungen aufzubringen, wenn es auf Gegenseitigkeit beruhte und ich mit meinem Gegenüber zumindest einen kleinsten gemeinsamen Nenner in einem ähnlich zumindest im Ansatz humanistisch ausgerichteten Weltbild finden konnte. Und vielleicht fand ich als harmoniesüchtige Sozialschwuchtel diese scheinbare Ruhe im Sinne von “leben und leben lassen” ganz angenehm. Aber auch auf der politischen und medialen Bühne hatte sich ja einiges geändert, die BILD titelte mit dem Umfall-Kanzler und schrieb kurz vor Anno Schröder den wahrscheinlich ersten CDU-kritischen Bericht seit Bestehen des Blattes, was ja mittlerweile tatsächlich in Politiker-Gebashe ausgeartet ist. Im Vergleich zu denen, die nach drüben gehen sollten, fehlen natürlich entsprechende Gegenentwürfe, aber mit der BILD ist das Gejammer über diesne Staat ja mittlerweile sogar Mainstream-Sport geworden. Die Grünen haben in der Zwischenzeit Kriegseinsätze der Bundeswehr zu verantworten und kuscheln mit der CDU, während die SPD die CDU gern rechts überholen würde, wenn nicht Oettinger und Konsorten ständig den Standstreifen blockierten und der Hessenhitler faselt im Stern-Interview von einem sich ändernden Familienbild und fabuliert stolz, dass er selbstverständlich seine Kinder gewickelt hätte.
Alles hat sich im Laufe der Jahre mit allem gepaart, jeder kann mit jedem, es wird adaptiert und koaliert und mashups geben sich ein Stelldichein. Herausgekommen ist die links und rechts überspannende und schier unerträglich politisch-gesichtslose und damit überhaupt nicht angreifbare Glubsche namens politische Mitte, in der sich irgendwie jeder zu Hause fühlt, weil es eben keinen Unterschied mehr macht, auf welcher Seite man steht. Und manchmal fühlte ich mich in meinem kompromissreichen Dasein voller respektieren, akzeptieren und tolerieren fast wie ein Teil davon. Aber jetzt, da mit dieser vollkommen amorphen Masse politisch scheinbar alles mach- und nichts mehr undenkbar ist, kommen Sie, Herr Schäuble, Herr Söder, Herr Stoiber, Herr Müntefering, Frau Zypries, Herr Beck, Frau Merkel und all Ihr anderen mit Ihren grenzdebil faschistoiden, großdeutschen Allmachts-Ideen sowie Ihrer schonungslos ehrlichen Definition von Linksextremismus und Sie klären damit endlich mal wieder die Fronten. Sicher, man könnte auch behaupten, sie würden nichts anderes tun, als das, was sie seit Jahren tun, nur professioneller und klarer: Nämlich spalten, dass es eine Art hat, aber ich will das positiv sehen: Die Menschen scheinen wieder das Bedürfnis zu bekommen, sich für eine Sache zu entscheiden, einen Standpunkt deutlich zu machen, sich abzugrenzen. Und das tun sie. Man will, ich muss da immer noch herzlich drüber lachen, Nazis ganz feste wegwünschen. Ein Anderer wirbt für die Auseinandersetzung mit politischen Themen, aber lieb muss es sein und wer einen Autoreifen ankokelt, was in den klassischen Medien von hier nach dort vollkommen übertrieben “Anschlag” genannt wird, dem fehlt es nicht nur an Intelligenz, er ist gar ein Bombenidiot (sic!, ebendort der Kommentar von Cati Basmati) usw. usf. etc. pp.
All dieses Distanziere und Gespalte und Bessergewisse brachte mich dazu, wieder einmal in meinen alten Platten zu wühlen und die “Hymnen” in der Sidebar um eine zu ergänzen:
Und endlich, Herr Schäuble, Herr Söder, Herr Stoiber, Herr Müntefering, Frau Zypries, Herr Beck, Frau Merkel und all Ihr anderen, bin ich wieder zu Hause. Und dafür wollte ich einfach mal “Danke” sagen.