My first blogwar
15. Juni 2008, 22:29 Uhr von pantoffelpunk“Ich bin Brian. Und meine Frau ist auch Brian.”
Wenn mein Nachbar, ein gebürtiger Engländer, mal wieder das Heimweh plagt, tröste ich ihn gern damit, dass es hier ja aber wenigstens was anständiges zu essen gibt. Einen türkischen Freund wecke ich gern mal mitten in der Nacht mit dem Ausdruck meiner Besorgnis, da ich gerade einen Bericht über muslimische Schläfer gesehen hätte, die plötzlich irgendwen in die Luft sprengen. Wenn ich meinen Cousin in der Schweiz anrufe, frage ich ihn manchmal, ob ich ihn gerade bei der großen Geldwäsche stören würde, es ist ja Frühjahr oder ob er kurz Zeit hätte – mein Telefon würde auch nicht vom Finanzamt abgehört, weil ich schließlich immer pünktlich meine Steuern zahle (was im Übrigen total gelogen ist). Ein afrodeutscher ehemaliger Arbeitskollege sagte mir, als ich bei 50° C auf Station platt in der Ecke hing “Jetzt weissu, warrum wirr Neger alle sso faul ssind!”. Einen Freund, der beim BGS arbeitet, begrüße ich stadardmäßig mit “Na, Bulle!” und habe ihm ein T-Shirt gemacht mit einer Strichliste – jeder Strich ein auf der Demo weggeklatschter Linker. Meinem schwulen Freund Professor S. unterstelle ich, nur Fußball zu gucken, weil er da behaarte Beine sieht und gut pfeifen könne er schlecht aber schlecht Bälle werfen könner er dafür gut. Ich selbst höre von ‘punkiger’ Seite gern oft, dass ich nicht mit aufs Konzert komme, weil ich um neun ins Bett muss – von gesitteter Seite wiederum … na egal. Kurz: Alles zwar keine Schenkelklopfer, klar. Aber all die oben genannten sind Menschen, die über sich selbst schmunzeln können.
Der gemeine Ossi kann das nicht.
Der Ossi ist ja ein noch sehr unerforschtes Wesen, was daran liegen dürfte, dass auch niemand so genau wissen will, was es mit ihm so auf sich hat. Es gibt unter den Ossis Polizisten, Familienväter, Arbeitslose, Bäcker, Frauen, Kapitäne, Lehrer, Rechte, Linke, Fußballer, Autofahrer, Administratoren, Tiefbauamtsleiter, Kichenchorsopranistinnen, Kranführer und Schiffschaukelbremser so wie viele andere unterschiedliche soziale Rollen und Bezeichnungen. Allen gemein scheint nicht nur, dass sie alle Ossis sind, sondern vor allem, dass sie das Ossi-Sein in den Vordergrund ihres Daseins stellen. Sie sind als aller erstes Ossis. Dann Mecklenburger (wahlweise Sachse, Anhaltiner, Berliner oder sonstiges), dann sind sie eine ganze Zeit lang nichts und dann sind sie Vater, Mutter, Hobby-Angler oder Fleischereifachverkäufer. Aber zu allervörderst sind Ossis Ossis. Darum darf man auch ungestraft Scherze über Buchbinder, Hotelfachangestellte, Näher und Aerobic-Vorturnerinnen machen, es ist auch nicht schlimm, das Auto eines IKEA-Mitarbeiters aus der Hot-Dog-Abteilung, eines Journalisten, Lokführers oder einer Prostituierten anzuzünden, nicht jedoch sollte man auch nur ein kleines, geschmackloses Witzchen über den Ossi machen. Denn darüber kann der Ossi gar nicht lachen, vielmehr fühlt er sich dann in seiner gesamten Persönlichkeit herabgesetzt und auch wieder einmal ein kleines bisschen geholocaustet.
Kurioserweise kann auch der vermeintlich linke Ossi nicht über Witzchen über rechte Ossis lachen (und seine Frau schon gar nicht) – zu stark ist offensichtlich selbst beim vermeintlich linken Ossi die Heimatverrrbundenheit, das daraus resultierende Identifikationsmodell (s.o.) und vielleicht auch zu mächtig das rechts und links verbindende Moment des osttypischen Sozialneides und der Reduzierung des sozialen Miteinanders auf Sex, Gewölt un´ güde Laune.
Naja. Wenn die Partei erstmal wieder an der Macht ist, wird alles gut.