Herr, wirf Hirn vom Himmel

18. April 2012, 22:36 Uhr von pantoffelpunk

So, USP, es ist so weit, ich muss da mal was loswerden und damit es keine Missverständnisse gibt, will ich etwas ausholen:

Es gibt so Tage, da finde ich Euch zum Kotzen, zum Beispiel, wenn Ihr singt und singt und singt und singt, als wären wir nicht beim Fußball sondern im Fahrstuhl eines Fachgeschäftes für Strickwaren. Das lässt mich dann nicht nur kalt (im Gegensatz zum good old ROAAAAAR), das nervt mich manchmal so dermaßen, dass ich schon einmal versucht war, einen Eurer Vorturner vom Zaun zu ziehen. Zum Beispiel, als Tschauner eine 100%ige des Gegners mit einer Jahrhundertparade zunichte gemacht hat, und Ihr trotzdem Euren Stiefel weitergesungen habt, ohne zu jubeln, zu staunen, zu gratulieren, Respekt zu zollen. Denn Euer Zaunkönig hatte die Szene selbstverständlich nicht gesehen und Ihr habt, deutsch und folgsam, gemacht, was er Euch geheißen hat: Singen. Irgendeinen Song aus dem Ultra-Repertoire, das man heutzutage in jedem Stadion, von allen Ultras hört. Dabei gebt Ihr vor, jederzeit alles für den Verein und für die Mannschaft zu geben, ignoriert jedoch geflissentlich, was die Mannschaft eigentlich will und dass auch die Spieler genervt sind von dieser Dauerberieselung, die nach außen hin – es tut mir leid – oft kalt und herzlos wirkt, weil sie – Ihr ahnt es – eben einfach so häufig anlasslos ist. Singen um des Singens willen oder: Singen um Euret Willen.

M. Egner: Ich habe denen die Sicht gezeigt, dass es auch nicht gut ist, wenn man fünf Ecken gegen sich hat und man hört dann einen Dauergesang. Was ja die Ultras so ein bisschen ausmacht, aber der Mannschaft in dem Moment nichts bringt. Es kann auch ruhig sein im Stadion. Man kann dann auch wieder situationsbedingt supporten. Und die Ultras meinten dann, dass es das erste Mal sei, dass sie dies hören und sie hätten darüber noch gar nicht nachgedacht.

B. Pliquett: Es ist ja nicht die Philosophie nicht spielbezogen zu supporten, sondern es ist die Art und Weise, wie du es dann rüberbringst. Es ist komisch, dass die Stimmung auswärts in letzte Zeit gigantisch war und zu Hause verfällst du dann in eine Lethargie und dann hört es sich einfach nicht gut an.

Quelle: Internet

Aber da gibt es auch Dinge, die mich immer wieder freuen und die mir Respekt abverlangen: Da sind Eure unermüdlichen Einsätze in fremden Stadien der gesamten Republik, ob freitags, samstags, sonntags oder montags, während ich spießiger Familienvaddi zu Hause sitze oder im Zoo Flamingos mit Currywurst füttere. Da ist die Stimmung, die Ihr zum Teil in fremden Stadien verbreitet, die den Fernsehzuschauer glauben machen, der magische FC St. Pauli hätte ein Heimspiel. Da ist auch der unendliche Dank für das gänsehäutliche “Aux Armes” am Anfang eines jeden Heimspiels…

… sowie andere Wechselgesänge .. IF YOU CAN´T HEAR US, WE SING A LITTLE LOUDER….

Ganz am Rande an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön für den spontanen Einwurf “We hate the fucking Dortmund” als Reaktion auf dieses unerträgliche Transpi. Und überhaupt Respekt für Eure beinharte antifaschistische, antisexistische und antihomophobe Einstellung und das stetige Transpotieren dieser Standpunkte nach außen. Denn selbstverständlich hat Politik etwas im Stadion zu suchen. Politische Statements sind die statements zum Miteinander und wo, wenn nicht beim Fußball, lernen schon Kinder und Jugendliche Integration so spielend wie beim Fußball? Wo ist Diskriminierung unangbrachter als im Stadion?

Danke auch für den gallischen Kampf gegen überbordende Kommerzialisierung, für “Scheiß Sport1″-Rufe, die bei Sport 1 zu hören sind. Und danke für wirklich tolle Choreos.

Also: Alles in allem wäre ich mit Euch im Frieden, wenn Ihr zwischendurch mal die Schnauze halten würdet. Weil´s mich nervt, weil´s die Mannschft nervt, weil´s manchmal eine Scheißstimmung macht. Immer nur mal für ein paar Minuten Klappe halten. Es zulassen, dass zwischen Team und Auditorium wieder dieses gewisse Prickeln entsteht, dieses gegenseitige Erregen und Hochpeitschen.

Und jetzt zum Akuten: Dass die Polizei derbe am Rad dreht, wenn sie pauschal erwirken möchte, dass Gästefans aus Rostock nicht ans Millerntor dürfen, brauchen wir ebenso wenig zu diskutieren wie die Tatsache, dass die Richter, die der Polizei Recht geben, am selben Rad drehen, dafür aber noch eine Spur merkbefreiter sein müssen, weil die Polizei sich ganz subjektiv ein ruhiges Wochenende verschaffen möchte während sie Recht zu sprechen haben. Dass der FC St. Pauli dagegen klagt und zwar durch mehrere Instanzen, verdient meinen und auch Euren Hut! Das ist ganz großes Tennis. Also mal wirklich GANZ großes Tennis. Dass der FC Hansa Rostock den Kompromiss ablehnt, knapp 2000 Karten personalisiert an Leude zu verkaufen, die nicht in der umstrittenen bzw. verschissenen Datei Gewalttäter Sport geführt sind, kann man nun wieder diskutieren. Bzw. sollte man einerseits dringend diese Datei diskutieren. Da muss ich aber andererseits fragen: Der Verein Hansa Roschdock (they are pussies. Heavy. Metal. Pussies!) kennt doch sicherlich seine Pappenheimer, kennt er nicht? Hätte Hansa Roschdock dann nicht anbieten können, Karten nur an diejenigen zu verkaufen, die bisher im eignen Stadion nicht negativ aufgefallen sind? Dass nun schlussendlich entschieden wurde, dass dann – ällerbätsch, man leider – eben gar keine Rostocker ins Stadion dürfen: Zefuck! Ein Spiel ohne Gästefans ist wie ein Fisch ohne Fahhrad!

Schuldig sind also einerseits die Hansa Rostock Spacken, die bei jedem Spiel Randale anzetteln oder Raketen in die Gästeblöcke feuern. Schuldig mag der FC Hansa sein, der erst in den späten 2000er Jahren mal davon gehört hat, dass es Fanprojekte gibt. Schuldig ist die Polizei, die sich nach Gutsherrenart herausnimmt, über Recht und Unrecht zu walten. Schuldig sind die Gerichte, die der Polizei Recht geben und so dem Poizeistaat das Wort reden. Schuldig mögen die Medien sein, die jeden geworfenen Stein zu einem Anschlag katastrophalen Ausmaßes aufbauschen. Schuldig mag der DFB sein, der den Fußball zu einem sauberen Event mit Tennischarakter verändern möchte. Schuldig sind auch diejenigen (angeblichen oder temporären) St. Paulianer, die nach der letzten Partie im heiligen Viertel die Randale mit der Pol angetzettelt haben, obwohl der Hansa-Mob schon im Zug saß.

Unschuldig ist der Verein FC St. Pauli, der dagegen geklagt und selbstlos Geld verpulvert hat. Und noch unschuldiger ist die Mannschaft, die sich mit Toren, Siegen und vielleicht einem Relegationsaufstieg gegen den Verein an der Müllverbennungsanlage für eine insgesamt gute Saison belohnen möchte.

Grundsätzlich finde ich es gut, dass Ihr klarmachen wollt, dass diese Entscheidungen eine Farce ist, dass dieses Exempel den Fußball grundlegend verändern kann, aber: wen bestraft Ihr mit Eurem kompletten Boykott? Na? Selber gemerkt, oder?

Denkt noch mal drüber nach. Eure ‘Drohung’, dem letzten verblendeten Polizisten klarzumachen, dass ein Verbot noch mehr Arbeit machen wird, könnt Ihr auch nach dem Spiel umsetzen.

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13. März 2009, 17:46 Uhr von pantoffelpunk

Es gibt einen ganz entscheidenden Unterschied zwischen diesen beiden Fotos und es hat nur indirekt damit zu tun, welche Mannschaften darauf jeweils angefeuert werden.

Finde den Unterschied

Nun bin ich der letzte, der die Rostocker Spardenker verteidigen will, aber es ist so ein schönes Beispiel für mediale Manipulation und Stimmungsmache: Wenn die Medien Friede, Freude, Lahmacun brauchen, sind bengalische Feuer ein Volksfest und wenn sie Randale brauchen, sind es schwere Krawalle. Seriösität ist was anderes.

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7. März 2009, 16:08 Uhr von pantoffelpunk

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