Zur Lage der Nation: ein paar Worte zur politischen Klasse

20. August 2007, 13:10 Uhr von Sven

Da mein eigenes Blog noch immer auf Notstrom läuft und ich heute abend selber zwei Wochen auf die Insel verschwinde und heute damit die letzte Gelegenheit habe, meine Zusage für einen Gastbeitrag während PP’s Abwesenheit einzulösen, werde ich meinen monatlichen  Rundumschlag “zur Lage” diesmal hier ablassen.

Diesmal geht es um die Frage, wozu wir überhaupt Politiker brauchen. Mit “Politikern” meine ich hier diesen sonderbaren Teil der Bevölkerung, die sich selbst so ungern als Teil der Bevölkerung sehen, da sie in ihren Augen ja etwas besseres zu sein scheinen, sich in ihrer eigenen kleinen Welt aber so weltfremd um sich selber drehen, dass sie nicht nur nicht mitbekommen, was da eigentlich abgeht in der Welt der “Normalen” sondern auch noch in ihrer Selbstverständlichkeit der eigenen Wichtigkeit höchst bizarre Bilder zeigen, die deren Welt von außen betrachtet als eine Welt mit höchst schrägen Prioritäten und Wahrnehmungsverschiebungen erscheinen lassen.

Jüngstes Beispiel ist das Bestreben der “großen Volksparteien”, 20 Mio EUR mehr Steuergelder (Steuern waren ja mal die Gelder, die man bezahlt, um das Gemeinwesen finanzieren zu können?) für die “Parteienfinanzierung” haben zu wollen. Allerliebst die Logik der Begründung: Weil Leute aus Frust, Unzufriedenheit und allgemeiner Politik(er)verdrossenheit nicht mehr in Parteien eintreten bzw.  explizit austreten und dadurch die Finanzierung durch Mitgliedsbeiträge immer schwieriger wird möchte man dieses Manko also mit dem Geld aller ausgleichen. Man kommt da also nicht auf die Idee, dass, wenn man weniger Geld einnimmt, weil die Leute mit der Arbeit der Politiker dieser Parteien unzufrieden sind und ihre Konsequenzen ziehen, man vielleicht mal über diese Arbeit nachdenken könnte und darüber, wie man “seine Leute” vielleicht doch halten könnte bzw. warum die denn so unzufrieden sein könnten, nein, man labert was von “Augenmaß” und bedient sich halt aus dem Topf, der laut Aussage derselben Politiker zu gering gefüllt ist, um Kindern von Arbeitslosen auch nur den Hauch von Bildungschancen oder gesunder Ernährung zu ermöglichen.

Das “Augenmaß” darf also wohl nicht etwa im Sinne des üblichen Sprachgebrauchs verstanden werden, sondern wörtlich: “mal eben Pi mal Daumen gucken wieviel man so braucht und dann zugreifen”.

Dass unsere Politikerkaste freilich völlig verständnislos guckt, wenn diese Selbstbedienung nicht vom Volk freudig begrüßt wird muss wohl nicht wundern, denn ihnen ist es ja nicht passiert, dass sie seit Jahren ohne jegliche Lohnsteigerung immer höhere Lebenerhaltungkosten zu tragen haben.iIch erinnere an deren Geschrei letztes Jahr, als der öffentliche Dienst die Frechheit besaß, keine “20 Minuten/Woche umsonst mehr arbeiten” zu wollen, ja, sogar nach in manchen Sektoren über 10 Jahren Nullrunden tatsächlich ein paar Prozente mehr Geld verlangten. Oder was da so im Rahmen der Bahn lief und läuft. Oder in Fragen HartzIV oder Mindestlohn. Klar, wer sich mal eben 20 Mios bewilligen kann sieht wenig Bedarf in garantierten Mindesteinkommen, die verhindern, dass manche Leute selbst mit zwei Fulltimejobs nicht wissen, wovon sie die Kühlschrankfüllung des nächsten Monats zahlen sollen.

Nein, ihr lieben Parteien, ihr wart doch diejenigen, die alles, auch jeglichen sozialen  Sektor, in das Primat “freier Marktwirtschaftlichkeit” gepresst habt – und das soll jetzt für euch nicht gelten? Wenn niemand bei euch einkauft geht ihr mal bitteschön genauso Pleite wie jeder Kleinunternehmer, der auch nach Jahren nicht an sowas wie einen Dispo denken braucht, so dass schon ein paar Euro Überziehung die Sperrung des Kontos bedeuten. Die können auch nicht hingehen und sagen “Hey, keiner kauft mein Produkt freiwillig, ich hätte das Geld, das die mir nicht mehr direkt geben dann gern einfach über die Steuer oder einfach per Zwang durch Gesetz” – OK, zumindest solange man nicht Musikindustrie oder Energiemonoplist heißt.

Und komm’ mir keiner mit “Aber Parteien braucht man doch, um das Land zu regieren” – ich erinnere mich sehr gut an das halbe Jahr nach der letzten Wahl, als es faktisch keine Regierung gab, weil man solange brauchte, um die möglichst schlechteste Koalitionsverbindung zu finden, die geht. Das hat im Land kein Mensch bemerkt, dass “wir” nicht regiert wurden. Kein Unterschied zu heute. Außer vielleicht, dass heute dann und wann erzählt wird, dass man z.B. “in Erwägung zieht, in 20 Jahren vielleicht mal was für den Klimaschutz zu machen”.

OK, das Innenmisnisterium ist aktiv, aber da sitzt ja auch ein Beamtenapparat, der seit Jahrzehnten nix anderes zu tun hat, als seine Existenzberechtigung in immer neuen “Vorschlägen” zu suchen, die innere Sicherheit ausbauen zu wollen. Dass die allerdings eigentlich auch schon arbeitslos sind, weil alles, was im Rahmen des Grundgesetzes möglich ist schon bis an die Grenze dieses Rahmens umgesetzt ist, so dass da kein Haar mehr dazwischen passt und damit jeder noch so kleine weitere Vorschlag darauf hinauslaufen muss, diesen Rahmen zu sprengen ist ein dummes kleines Problem…

Wer übrigens hofft, dass diese Politikergeneration irgendwann durch vernünftige und mehr im hier und jetzt des normalen Volkes verankerten Nachwuchs ersetzt werden könnte, dem sei hiermit gesagt: das wird nicht so schnell passieren.

flattr this!

5 ma was gesacht

  1. [...] gibt’s diesmal im Rahmen der Urlaubsvertretung drüben beim Pantofelpunk. Und jetzt fahr ich erstmal zwei Wochen in Urlaub. Gehabt euch wohl bis [...]

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  2. 100% auf den Punkt!

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  3. [...] Sollen die Arbeitsverweigerer doch mal einen Job annehmen, Arbeit gibt es doch genug und die dauergeilen Hartz4-Schlampen, die sowieso schon 5 verwahrloste Kinder haben sollen einfach mal Kohle fürs Ficken verlangen, dann geht es auch gleich bergauf mit dem Haushaltsgeld. [...]

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  4. Das

    Mit “Politikern” meine ich hier diesen sonderbaren Teil der Bevölkerung, die sich selbst so ungern als Teil der Bevölkerung sehen, da sie in ihren Augen ja etwas besseres zu sein scheinen, sich in ihrer eigenen kleinen Welt aber so weltfremd um sich selber drehen, dass sie nicht nur nicht mitbekommen, was da eigentlich abgeht in der Welt der “Normalen” sondern auch noch in ihrer Selbstverständlichkeit der eigenen Wichtigkeit höchst bizarre Bilder zeigen, die deren Welt von außen betrachtet als eine Welt mit höchst schrägen Prioritäten und Wahrnehmungsverschiebungen erscheinen lassen.

    ist ein Satz, und er ist großartig. Wie der Rest des Artikels, dem erstmal nichts hinzuzufügen ist. Danke, Sven und Dir einen schönen Urlaub!

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  5. [...] Volksvertreter? Dass ich nicht lache! Die Wirtschaftspöstchen für später werden doch schon vorgewärmt! Gemeinwohl? Politik ist doch auch nur noch Selbstzweck. [...]

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Sach ma was...

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Datum: Montag, 20. August 2007 um 13:10
Kategorie: Gastbeitrag
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