Eine falsche Begründung für einen richtigen Schritt

20. August 2007, 11:43 Uhr von Dieter Petereit

Nicht Hartz4 ist zu hoch, die Löhne in vielen Bereichen sind schlicht zu niedrig. Hierin liegt das Problem und nicht etwa, wie ebenfalls vielfach behauptet, darin, dass die Hartz4-Sätze weiter von den Erwerbseinkommen distanziert, sprich verringert werden müssten. Das völlige Fehlen eines Mindestlohns lässt Krebsgeschwüre, wie die Zeitarbeitsbranche, die zunächst nur am Hintern der Gesellschaft saßen, über deren gesamten Leib wuchern. Wobei fairerweise auch noch zu berücksichtigen ist, dass der Wegfall der vormals gesetzlich verankerten Maximalverleihdauer bei Zeitarbeitern ebenfalls entscheidend in die falsche Richtung gewirkt hat.

Unternehmen können heutzutage unbefristet Arbeitskrafte für weniger als die Hälfte der tariflichen Bezahlung und ohne weitere soziale Verpflichtungen ausleihen und so ihre Stammbelegschaften schrittweise reduzieren. Das Ende der Reduzierungsphase gilt nach meiner Einschätzung erst als erreicht, wenn es keine Stammbelegschaften mehr gibt. In der Arbeitslosenstatistik mag sich das per saldo neutral auswirken, vielleicht geht die Gesamtzahl der Arbeitslosen sogar weiter zurück. Aber im Ergebnis haben wir dann eine Gesellschaft, in der kein Arbeitnehmer mehr vernünftig von seinen Bezügen leben, geschweige denn eine Lebens- und Familienplanung aufbauen kann und eine breite Bevölkerungsmehrheit von staatlichen Transferleistungen abhängig ist. Um dieser Entwicklung entgegen zu steuern, geht meiner Meinung nach kein Weg an einem gesetzlichen Mindestlohn, wie in anderen europäischen Ländern längst üblich und wirtschaftlich nicht desaströs, vorbei.

In den letzten Tagen ist eine Diskussion um die Erhöhung der Hartz4-Bezüge, insbesondere wegen der stetigen Verteuerung der Lebenshaltungskosten, aufgekommen. Diese mache eine Anpassung der Regelsätze nach oben erforderlich, was für mich völlig logisch ist. Wie soll schließlich jemand, der außer seinem Regelsatz kein Einkommen hat, ansonsten seinen Lebensunterhalt gestalten?

Die Krux für den Bund, und da setzen denn auch Müntefering und Steinbrück an, ist allerdings, dass durch eine solche Erhöhung die Transferleistungen weiter steigen, möglicherweise sogar bislang aufgrund ihres Einkommens nicht Berechtigte neu in den Bezug kommen, alles in allem der Bundeshaushalt stärker belastet werden würde. Das ist der Punkt, an dem der Politiker munter wird. Nicht etwa die Frage nach der Menschenwürde treibt ihn in dieser Frage an, nein, erst beim Thema Geld wird er bedingt kreativ.

Es könnte also eine richtige Entscheidung mit einer falschen Begründung daraus werden. Aber wenn diese dazu führt, dass wir in Deutschland tatsächlich in absehbarer Zeit einen gesetzlichen Mindestlohn bekommen, sollten wir alle großzügig darüber hinwegsehen.

[meint der Hüttenblogger]

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7 ma was gesacht

  1. Das Problem ist die überhöhte Erwartungshaltung der Bevölkerung in den Industrieländern.

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    gesacht am 20. 08. 2007 um 13:47 Uhr
    von Lupus
  2. Das mag für die Oberschicht zutreffen. Die breite Mittelschicht möchte einfach nur in der Lage sein, den erreichten Standard zu halten. Und sich ausweitende Kinderarmut in Deutschland kann auch nicht nur ein Problem der Erwartungshaltung sein.

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  3. “Das Problem ist die überhöhte Erwartungshaltung der Bevölkerung in den Industrieländern.”

    @Lupus

    DER war gut !

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    gesacht am 20. 08. 2007 um 17:34 Uhr
    von baseface
  4. Lupus ist eben von der regierenden Klasse gut eingenordet. Politik funktioniert also doch…

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  5. Dieter, Du linke Socke! Kommunist! Bolschewist!

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  6. @pp: Bleib mir mit Deiner rechten Gesinnung vom Leib.

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Datum: Montag, 20. August 2007 um 11:43
Kategorie: Gastbeitrag
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