*Bescheidene Überschrift*
29. Januar 2013, 23:22 Uhr von pantoffelpunkNoch vor dem #aufschrei war die von Christian Ulmen und tele5 angekündigte Sendung “Who wants to fuck my girlfriend” auf twitter das intensiv diskutierte nahezu einstimmig beschimpfte Thema. Denn es war klar, dass diese Sendung nur sexistisch sein kann.
Ich habe daraufhin zunächst diesen (viel zu sehr auf Sexismusvorwürfe reagierenden) und kurze Zeit später diesen Artikel dazu geschrieben und mir dabei nicht eben viele Freunde gemacht. In der Kommentarspalte des ersten Artikels zum Thema ist es wie bei twitter relativ ruhig geblieben, dafür habe ich eine Menge (nicht immmer uneingeschränkten) Zuspruch per twitter-DM, per facebook-PM und sogar per SMS und WhatsApp bekommen. Auf der anderen Seite blieb der Gegenwind bis auf eine nicht ernst zu nehmende (jetzt gelöschte) twitter-Mention aus dieser Richtung und einen sehr persönlichen Meta-Ebenen-Rant scheinbar aus. Allerdings wurde ich massiv “entfreundet” und entfolgt und das zum Teil von Leuten, mit denen ich seit Jahren digitalen Kontakt und die ich zum Teil sogar persönlich kennen gelernt habe. Eine abweichende Sicht scheint für viele bei diesem Thema schlicht nicht auszuhalten zu sein. Ein Jeder und eine Jede mag diese stillen Reaktionen für sich selbst interpretieren. Ich ärgere mich nicht, wundere mich aber ein bisschen.
Gestern ist jedenfalls in der (im?) cicero ein Interview mit Christian Ulmen veröffentlicht worden, woraufhin mir @elflojo schrieb:
Und da ich nicht halb so bescheiden bin wie die Überschrift vermuten lässt, will ich hier je eine Stelle zitieren:
Ich glaube weiterhin fest, dass es sich um ein Fernsehevent handeln wird, das darauf aufmerksam zu machen versucht, wie pervertiert TV-Produktion und -Konsum mittlerweile geworden ist und zu welch niedrigem Preis Menschen bereit sind, Ihre Würde zu verkaufen: Menschen offenbaren sich im Fernsehen für objektiv nicht wahrnehmbare Gegenleistungen: Sie offenbaren Ihre Unfähigkeit, mit Geld umzugehen und rufen Peter Zwegat, sie offenbaren Ihre Erziehungsunfähigkeit und rufen die Super-Nanny, sie offenbaren ihre emotionale Persönlichkeitsstörung bei “Bauer sucht Frau” (etc.) und sie haben kein Problem damit, einem Millionenpublikum bei “Frauentausch” 24/7 Ihre Unfähigkeit zu demonstrieren, Ihr Leben auf die Reihe zu bekommen. Auf der anderen Seite dieser Sendungen sitzen Produktionsfirmen, die für ein paar Werbemillionen bereit sind, Menschen bloßzustellen, die sich zum Teil exakt an der IQ-Bereichsgrenze zwischen Lern- und geistiger Behinderung befinden. Verantwortungslosigkeit galore. Und auf der dritten Seite sitzen die abgestumpften TV-Zombies, die sich diesen ganz Dreck reinfahren, um sich im Vergleich zu den Kandidaten wenigstens ein paar Stunden in der Woche hochbegabt vorzukommen.
Aber als das für mich sprechendste Beispiel erscheint mir “Der Bachelor” – 10 (oder 12?) Frauen werben um die Gunst eines ihnen unbekannten, hübschen, tollen, coolen Mannes. Sie halten die Möpse in die Kamera und stellen sich einem ihnen unbekannten Mann zur Verfügung. Für was? Für soziale Absicherung? Für ein paar Minuten Sendezeit? Für Fame? Für den Traum der großen Karriere? Man weiß es nicht.
und
Wir sind sehr viel lustiger als der Bachelor. Und wir überhöhen maßlos, so, wie es nur über eine Kunstfigur möglich ist. Es ist Wöllners Formatidee. Wir stellen sie als Konzentrat seiner Einflüsse in die Welt und nennen das Ganze glasklar so wie es ist. Das ist der Unterschied. Der Bachelor sagt nicht: „Who wants to be fucked by the horny rich man?“, wer will vom reichen geilen Mann beschlafen werden? „Die Schöne und der Freak“ (auch eine menschenverachtende Sendung von Pro Sieben, Anm. d. Red.) heißt auch nicht „Wer ist der größte Vollhonk und wessen Individualität machen wir heute platt?“ Diese Formate tragen alle recht schöne Mäntlein, sie schillern und leuchten mit ihrem hübschen Vorspann, so dass viele Zuschauer gar nicht checken, was daran scheiße ist. Uwe ist einer dieser Zuschauer. Die Versuchsanordnung lautete: was würde sich einer wie Uwe für ne Show ausdenken, nachdem er sein Leben vor dem Fernseher und mit all diesem Kram verbracht hat? Das Ergebnis ist „Who Wants To Fuck My Girlfriend“. Ich finde das plausibel und folgerichtig.
Sorry, ich bleibe dabei: Antisexismus ist wichtig. Aber es gibt mehr als wie die antisexistische Sicht auf diese Welt und das, was uns das Fernsehen und seine Mitmachkonsumenten bieten, gehört verarscht. Ohne Rücksicht auf Geschlecht, Religion, Hautfarbe, sexuelle Orientierung, Musikgeschmack, Einkommen, Schuhgröße und Leibgericht. Wenn Frauen und Männer sich von Frauen und Männern vor Frauen und Männern tagtäglich mehr oder weniger freiwillig zum Obst machen lassen, dann betrachte ich eine “maßlose” Erhöhung dieser Tatsachen nicht aus der antisexistischen Sicht, sondern aus der Sicht eines Fans von bitterböser Satire, bei der einem vor lauter Fremdscham das Lachen im Halse stecken bleibt. Und ich freue mich auf den 14. Februar.