Dass ich den aufgezeichneten zweistündigen SJ 06 Bericht auf Arte noch nicht wirklich gesehen habe, hat einen Grund: Er wird mir zeigen, was man an einem Wochenende trotz Anwesenheit alles verpassen kann. Dass ich so viel verpasst habe, hat drei Gründe, von dem mir der erste schon vorher klar war:
1. Statt dem Kartengott und seiner ostzonalen Suppencrew war ich mit meinem Liebsten, dem extraschwulen Dr. S. dort, der nicht nur wenig bis gar kein Interesse an Reggae, Ska und Dancehall hat, sondern vor allem nach der ungefähr 200ten 80-Stunden-Woche hintereinander im Arsch war und sich freute, dass sich niemand daran stört, wenn er nachmittags dauerchillt, während die anderen “externen” Summerjamkollegen und -kolleginnen leider hauptsächlich daran interessiert waren, möglichst gute Sitzplätze, möglichst fernab vom Geschehen zu ergattern.
2. Das Gras, das mir der Selettenpapst besorgt hatte, war mit einem furchtbaren Gemisch aus Hypnomidate, Heroin und Mofabenzin gestreckt.
3. Ich bin ein Idiot.
Von Anfang an:
Ankunft Donnerstag nacht gegen 2.
Nach einer eher kurzen Schlafphase von ca. 6:00 bis 9:00 ging es also nach einigen Erledigungen und den ersten Frühstücksbieren um 14:00 mit Dr. Ring-Ding los. Es ist mir bis heute unverständlich, warum gerade er, der er wirklich das Publikum fetzen kann, diesen undankbaren Sendeplatz hatte. Die meisten waren noch auf den Zeltplätzen, andere noch gar nicht in Köln, wieder andere hatten noch die Insel zu erkunden. Nach einem ekelhaft warmen RumPunch von Al habe ich also beschlossen, meine erste Sportzigarette des Jahres zu rauchen, die ich, wie ich fand, ordentlich aber nicht monströs bestückt hatte. Mir gefiel Dr. Ring-Ding wirklich gut, aber der Ochen zwang mich, die 40°- Zone mit den Worten “Ich muss mal kurz in´n Schatten…” zu verlassen. Nachdem ich zwei Stunden unter einem Baum von sehr sehr sehr weit weg Leo´s Den – den ich eigentlich hautnah erleben wollte – und I-Jahman-Levi zugehört hatte, war ich viertel vor Panteon Rococo wieder da und traf auch meinen Mitstreiter Dr. S. wieder. Niemand wird mir verübeln wollen, dass ich zu einer meiner absoluten Favoritenbands noch etwas inhalieren musste – auch wenn ich vorgewarnt war, also habe ich einmal amtlich gezogen und den Stick an jemanden weitergegeben – einen Profikiffer, etwa 40 Jahre alt, Dreads, Latzhose über nacktem Oberkörper und derbe am abrocken. Er zog und frugte mich dauergrinsend, ob ich einen Namen für das Zeug hätte: “Ja. Gras.” Er so: “Nee, ich meine, einen speziellen Namen, das würde so “markant” schmecken…. nach zwei Minuten hörte er auf zu grinsen, nach fünf Minuten hörte er auf, zu rocken, nach zehn Minuten musste er wohl mal kurz in´n Schatten, auf jeden Fall hab ich ihn nie wieder gesehn. Egal. Panteon Rococo waren amtlich, mal wieder. Natürlich.
Danach zum Bus, grillen. Leider habe ich niemanden meiner Crew mehr bewegen können, danach nochmal aufs Gelände zu gehen. So habe ich mich einfach noch mal kurz in´n Schatten gesetzt. Ich Idiot.
Samstag wollte ich mehr. Und das ging auch los. Lazy Youth eröffnete den Reigen auf der Hauptbühne mit einem engagierten und nur mittelmäßig applaudierten Auftritt bei 120° im Schatten. Martin Jondo, von dem ich viel erwartet hatte, hatte mich etwas enttäuscht. Für mein Empfinden hat er seine Lieder etwas reglos präsentiert – musikalisch und technisch sicher einwandfrei, aber mir fehlte da etwas der berühmte Funke. Das wr bei Mono & Nikitamann ganz anders, die direkt im Anschluss auf der kleinen Bühne spielten und mal wieder Ihre Live-Qualitäten vor allem durch Authentizität unter Beweis gestellt haben. “Gras ist legal” hat der Herr Nikitamnn mit einem expliziten Nicht-Grüßen der anwesenden Zivi-Cops eingeleitet, von einem Zuschauer einen schönen langen Joint gereicht bekommen, den er Marley-like auf der Bühne angezündet und inhaliert hat, sehr schön, echt. Die Bekundungen, wie geil es ist, hier auf der Bühne zu stehen und die Massive abgehen zu sehen, Gänsehaut und alles, ja, das nimmt man ihnen echt ab. Ich habe höchsten Respekt vor den beiden, die immer noch independant releasen und sich ihre Bekanntheit u.a. dadurch erarbeitet haben, in einem Jahr 200 Konzerte zu spielen. Darum brenne ich M&N auch nicht, nennt mich Arschloch oder Spießer, mir Ladde!
Am Ende habe ich Mono noch backstage erwischt und konnte meine Mission erfüllen: Da mein Pantoffelpünkchen in Mono (nur wegen der Stimme) verliebt ist und sie heiraten will (das rede ich ihm noch aus), sollte ich einen Autogrammtausch durchziehen. Mono hat also jetzt ein Autogramm von meinem Pantoffelpünkchen und er hat eins von ihr. Ich sollte ihm auch ein “dicken Kuss” geben – das war die erste Gelegenheit seit langem, dass ich den kleinen Kerl mal wieder küssen durfte. Sonst ist das ja schon uncool, immerhin ist er schon 6.
Nach M&N auf der großen Bühne meine größte Live-Überraschung ever: Jan Delay rockt die Masse, das geht gar nicht. Fissel-Fliegengwicht kommt auf die Bühne, quäkelt irgendson Quatsch und die Leude gehen ab. Sein Auftritt war Monster! Hammerhaft! Unglaublich. Er hat natürlich seine neue Pladde vorgestellt, die mich schon dort sehr rockte, er hat nämlich auch eine sehr geile Live-Band mit Namen Disko No. 1.
Danach noch eine angenehme Dosis Roots mit Morgan Heritage und ein paar kurzen Rum, dann war Zeit für Abendbrot. Tatsächlich konnte ich meine Rentner danach noch für das geniale Konzert von Damian Marley auf die Insel schieben, aber die haben dann doch eher einen Platz zum Sitzen und Ausruhen gesucht, so dass ich endlich alleine losegzogen bin (Ich Idiot, warum erst jetzt?). Während des eher langweiligen Auftrittes von Herrn Ziggy Marley habe ich dann noch ein paar Schluchtenscheißer kennengelernt (auf diesem Wege herzliche Grüße an Stefan und den Rest), die Schlüpfi hernach auf das eine oder andere Zäpfli eingeladen haben, woraufhin dieser sich mit einer Flasche Rum mit Kaffeepulver, Zucker und Zitrone* revanchiert hat. In den Morgenstunden habe ich dann den Weg in den Bus gefunden, wo ich noch kurz ein wenig schlufte. Nach einem ausgiebigen Bad im Fühlinger See habe ich dann den Heimweg angetreten, auf dem ich mit sehr hohen Temperaturen und übertrieben hellem Licht zu kämpfen hatte.
Ein paar Stunden später hatte der Alltag mich schon wieder.
Schade. Marmelade.
Und der Kartengott ist jetzt mit seiner ostzonalen Suppencrew in Bersenbrück. Nächstes mal bin ich bei Euch. Egal, wohin Ihr fahrt. Auch wenn Ihr zum “Wolle-Petry-Cover-Festival” fahrt.
An die Rentnercrew: Nichts für ungut, ich hab Euch ja gern. Wirklich.
*= Geiles Rezept: Ähnlich wie beim Tequila nimmst Du nen halben Teelöffel Kaffepulver und ebensoviel Zucker auf den Daumenballen und schleckst denselben ab (nicht runterschlucken), dann einen eisgekühlten Havanna Club (der muss es sein) hinterher und zum Schluss die Zitrone auslutschen. Nach drei Stück fühlst Du Dich unsterblich, nach zwanzig kippst du einfach um. Perfekt.