Busfahren in der Großstadt
4. Juni 2009, 11:34 Uhr von pantoffelpunkSagt mal, Ihr Großstädter, erzählt einem alten Landei wie mir doch mal, was da mittlerweile bei Euch abgeht:
Man passt sich den Gegebenheiten an und schraubt nach und nach die Ansprüche an das Zusammenleben runter was? So wie der Frosch im heißen Wasser. Tztztz.
Ein Plädoyer für Gewalt?
2. Mai 2006, 17:10 Uhr von pantoffelpunkIch bin beileibe kein Krawallbruder. Kein Gewalttäter, kein Schläger. Ich habe das letzte mal noch vor dem wirklichen Einsetzen der Pubertät eine Hauerei bewusst provoziert. Da gab es dann auch so ausreichend an die Backen, dass es mir fortan eine Lehre sein sollte. Aber auch wenn das Kreiswehrersatzamt andere Informationen von mir hat: Ich bin auch kein satyagrahi und solche Leute gehen mir situativ mächtig auf die Testikel. Sicher ist mit ihnen gut Kirschen essen oder auch Tee manchmal sogar gut Bierchen trinken – aber wenn sie in bestimmten politischen Kontexten zu spalten beginnen, dann wünsche ich sie manchmal ganz feste auf den Mond, zumindest weit weit weg.
Ich stehe nicht auf Gewalt und noch weniger stehe ich auf Leute, die Gewaltausübung zu ihrem primären Lebenszweck erkoren haben. Aber sagte nicht schon Buddha, dass man sich mit seinem Gegner in dessen Sprache unterhalten muss, damit er versteht? Berichtigt mich gern, wenn ich da falsch liege.
Ich schweife ab und will so langsam zum Punkt kommen, den ich anhand eines zwar schon etwas weiter zurückliegenden aber dafür selbst erlebten Beispiels verdeutlichen möchte.
Es war im Januar des Jahres 2005, als sich in Kiel eine Horde Nazis ankündigte, ihre abstoßenden und menschenverachtenden Ideen in die Welt zu tragen. Es wurde eine Demonstrationsroute durch die gesamte Innenstadt genehmigt. Tolle Wurst, Staatsgewalt. Gegendemonstranten ließen natürlich nicht lange auf sich warten und Frau Volquartz bekam Muffensausen, das hatte sie sich vor der Wahl aber nicht so vorgestellt. Sie rief also alle Bürger und Bürgerinnen auf, am betreffenden Samstag nicht in die Stadt zu gehen, zu Hause zu bleiben, die Augen zu schließen und ein gutes Hörbuch in den CD-Player zu legen – alles wird gut, wenn wir es aussitzen.
Auf die berechtigte Kritik reagierten die bürgerlichen Kräfte (ich mag diese Differenzierungen nicht, aber hier ist sie angebracht), also die Parteien der Stadt Kiel und des Landes Schleswig-Holstein, die Kirche, die Gewerkschaften und so was alles, indem sie dann doch noch eine sogenannte Gegendemonstration anmeldeten: Diese sollte von 9:00 bis 11:00 Uhr in der Kirche stattfinden. Zum Start der Nazidemo um 12:00 Uhr konnten dann alle zum Mittagessen wieder zu Hause sein. So also sieht der Aufstand der Anständigen aus. So weit, so Scheiße.
Entgegen der Hoffnungen und Bestrebungen der Bürgermeisterin trafen sich aber noch gut 8000 Menschen aus allen Lagern zum Aufstand der Unanständigen. Selbstverständlich wurde die Route der Gegendemonstranten nur so genehmigt, dass ein Aufeinandertreffen mit den Nasen nicht stattfinden konnte. Das ist aus Sicht der Staatsgewalt ein nachvollziehbarer Schritt. Aus Sicht derer, die den Nazis die Straße nicht widerstandslos überlassen wollen, ist das eine Farce. Und Aussitz-Durchhalteparolen wie eben der “Aufstand der Anständigen!” oder “Dem Rechtsextremismus entgegentreten” oder “Bla!” oder “Blubb!” werden ad absurdum geführt bzw. werden deren heuchlerische Absichten entlarvt. Reden tut niemandem weh und kein Gottesdienst hält irgendeinen Nazi davon ab, die Straßen zu erobern.
In Kiel war es nun so, dass ein kleiner Teil der Meute Team Green mit kleineren Feuerwerken in der Innenstadt auf Trab hielt und ein anderer Teil des Demonstrationszuges die Gunst des Augenblickes nutzte, um aus der polizeilichen Abschottung in Richtung Bahnhof auszubrechen, um dort den rechten Mob am Losmarschieren zu hindern. Nach und nach trafen dort weitere Hundertschaften Demonstrierender ein und blockierten die Route der Nazis. Es wurden Wasserwerfer postiert, es flogen Steine, Flaschen, Fäuste und Schlagstöcke. Hätte es an dieser Stelle nur “Nazis-Stoppen-Ohne-Kloppen-Jusos” und den “Blockflötenblock” gegeben, hätte die Polizei alle weggetreten, oh sorry, will sagen: weggetragen, man wäre nach Hause gegangen und hätte sich gegenseitig auf die Schulter geklopft und sich gefreut, dass am Montag darauf sogar die erzkonservativen Kieler Nachrichten positiv über die Gegendemo berichtet hätten. Nur: Die Nazis wären durch Kiel marschiert und das Klassenziel hätte man ergo nicht erreicht.
Das heißt, nur aus Angst vor eskalierender Gewalt wurde der Zug der Nazis – inklusive Geleit- und Sichtschutz durch Team Green – mit 4-stündiger Verspätung lediglich einmal 1000 m im Kreis geführt und die Demonstration für beendet erklärt.
Man stelle sich also die Frage, ob man es als vertretbar oder von mir aus auch demokratisch empfindet, die undemokratischen Nazis durch die Städte marschieren zu lassen oder ob der Zweck, diesen Sackgesichtern die Straße nicht zu überlassen, die Mittel der maßvoll und überlegt eingesetzten Gewalt heiligt oder zumindest rechtfertigt oder am Ende sogar notwendig macht.
Ich persönlich haltes es für moralisch einwandfrei, den Nazis die Straße zurückzugeben – Stein für Stein.