In Schwerin ist ein fünfjähriges Mädchen verhungert und verdurstet. Es wog 7,4 kg, was weniger als die Hälfte des Normalgewichtes durchschnittlicher Kinder diesen Alters ist.
Das Kind muss ein monatelanges Martyrium durchlebt haben. Als es gestorben ist, hatte es Hungerödeme und die Haare fielen ihm aus. Es war kotverschmiert.
Wenige Wochen zuvor war das Jugendamt alarmiert worden. Es sah keinen Grund einzugreifen. Für den Tod des Mädchens wollen die staatlichen Institutionen jedoch keine Verantwortung übernehmen.
Einschneidende Änderungen durch das KJHG wurden Anfang der Neunziger damit begründet, dass das Elternrecht ein hohes Recht ist und darum die sozialpädagogische Arbeit weg muss von der Fremdunterbringung hin zu Hilfen zur Selbsthilfe in den Familien. Was nach löblichen Absichten klingt, waren schon damals jedoch nur Einsparungsstrategien: Ein Pflegekind kostet Vater Staat gut 1000,- € pro Monat, eine Heimunterbringung gar 3000,- € oder mehr. Es ist also billiger, Helfer in die Familien zu schicken, die den Familien unter die Arme greifen. Noch billiger wird es, wenn man un- oder schlecht ausgebildete Kräfte einstellt. Und noch mehr sparen kann der Staat, wenn er von denen möglichst wenig einstellt.
Auf NDR info kamen heute morgen zwei Mitarbeiterinnen des Jugendamtes Hamburg zu Wort: Sie sprachen von schlaflosen Nächten, weil sie oft fürchteten, irgendetwas oder irgendjemanden vergessen zu haben. Sie hätten nicht genug Zeit, einzelne Problemfamilien adäquat zu betreuen, selbst für akute Kriseninterventionen wären in der Regel eigentlich keine Ressourcen frei. Von Präventionsarbeit könnten sie nur träumen. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gingen in Arbeit unter.
Viele Familien bekommen Familienhelfer an die Seite gestellt, die die zumeist jungen Eltern Selbstorganisation lehren und sie bei der Bewältigung des Alltages und bspw. Ämtergängen unterstützen sollen. In Rendsburg – zum Beispiel – werden diese Stellen von ungelernten Kräften besetzt.
Ich habe im letzten Jahr eine Familie aus unserem Dorf beim Jugendamt gemeldet und um Rückmeldung gebeten, sobald das Jugndamt etwas unternommen haben würde, um sicher zu gehen, dass der Fall nicht unter den Tisch fällt. Als ich nach drei Wochen noch immer nichts gehört habe, habe ich wieder angerufen und – natürlich – einen anderen Mitarbeiter am Telefon gehabt, der mich auf das Ende der Krankheit des Kollegen Herrn M. vertröstet hat; er selbst kenne den Fall nicht und wolle sich auch auf meine Bitte nicht mal “die Akte ziehen”.
Nach einer weiteren Woche habe ich Herrn M. dann wieder dran gehabt, der sich zwar nicht äußern dürfte, mir aber versicherte, dass das Jugendamt dort vorstellig wurde und in dieser Familie kein Anlass zur Sorge bestünde. Etwa einen Monat später war die Familie nicht mehr in ihrer Wohnung, es hat jedoch keinen Umzug gegeben und die Wohnung war nicht leer. Man sah auch nach wie vor die Kinder im Dorf.
Mein Bekannter L., der direkt unter ihnen wohnte, hat dann eine weitere Woche später die Polizei gerufen, weil ein Katzenbaby, das seiner Mutter durch das gekippte Fenster nach draußen folgen wollte, um etwas zu essen zu finden, darin hängen blieb und also am besagten Tag tot im Spalt hing und er davon ausging, dass noch mehr Katzen in der Wohnung wären. Die Polizei öffnete die Tür gewaltsam und verständigte sofort das Jugend- und das Gesundheitsamt. Die Wohnung war kaum begehbar, so viel Müllsäcke, stinkende Windeln, Essensreste und sonstiges Zeugs lag darin herum. Sie war vollgeschissen und es vegetierten mehrere halb verhungerte Katzen darin. Die Wohnung wurde ein paar Tage danach von Männern in Schutzanzügen (sic!) geräumt. Die Familie selbst wohnte jetzt ein paar Straßen weiter bei einer Bekannten. Eines der Kinder berichtete der Mutter eines Schulkollegen, er habe Zahnschmerzen. Weil, er hätte jetzt ja nicht mal mehr eine Zahnbürste. SIE ist mit ihm zum Zahnarzt gefahren.
Als ich erfuhr, dass die Familie umgezogen sei, habe ich wiederholt beim Jugendamt angerufen und tatsächlich Herrn M. am Apparat gehabt. Es stellte sich heraus, dass er der Leiter des Jugendamtes ist. Ich berichtet von dem Einsatz mit polizei und Jugendamt und wollte den Zustand der Wohnung beschreiben.
Er (genervt): Ja, weiß ich, da war ich ja bei.
Ich: Äh, ach so. Also, die Familie ist jetzt umgezogen, ich weiß aber nicht genau wo hin. Eventuell nach X oder Y.
Pause
Er: Ja? Und?
Ich: Naja, ich denke, Sie sollten das dem jetzt zuständigen Jugendamt mitteilen.
Er: Wieso?
Ich: Weil die Familie hochproblematisch ist?
Er: Dann machen Sie das doch.
Ich: Ich weiß ja aber nicht, wohin die gezogen sind.
Er: Ich auch nicht.
Ich: Dann fragen sie doch BITTE mal bei den Kollegen des Einwohnermeldeamtes nach. Da die Mutter Sozialhilfe bezieht, wird sie sich schon umgemeldet haben.
Er: Das geht nicht so einfach.
Ich: Wieso? Rufen Sie doch dort an und fragen Sie, wohin Frau XYZ gezogen ist.
Er: Nein, ich sage doch, das geht nicht so einfach. Das muss ich schriftlich machen.
Ich (laut, sehr laut): Dann schreiben Sie einen verdammten Brief und teilen Sie das gefälligst dem jetzt zuständigen Jugendamt mit! Das ist ja nicht zu fassen.
Er: Das ist wie gesagt, nicht so einfach.
Ich: Leck mich. Vollidiot.
Was macht Herr M., dem die Schicksale zweier Kinder schlicht egal sind, auf dem Posten des Jugendamtleiters? Ich denke, er war einfach dran mit Beförderung. Nach 15 Jahren treuer Schreibdienste im Katasteramt ist ein besseres Pöstchen fällig.
Und genau so sterben Kinder.
Stellt in den Jugendämtern endlich motiviertes Personal ein, stellt gut ausgebildetes Personal ein und bildet es fundiert und praxisbezogen fort, bezahlt es angemessen und gebt ihm Zeit, Erfolgserlebnisse zu erarbeiten, indem Ihr die Personaldecke verdoppelt oder verdreifacht. Und wenn hier jetzt irgendein unsensibler Buchhalter mit Kosten kommt: Erstens sparen wir die langfristig ohne Probleme wieder ein (Ihr müsst nur mal in anderen Zeitspannen als 4 Jahre denken).
Und zweitens: Es geht hier um das nackte Leben von Kindern. Das sollte uns einiges wert sein.